Franz Ferdinand geht Eislaufen

Archivale des Monats Februar 2023

Am 31.01.1872 berichtete Franz Ferdinand Rudolf vom fröhlichen Eislaufen mit seiner Familie beim Schloss Weilburg in Baden.  

Das „Selekt Kronprinz Rudolf“ ist eine umfangreiche Sammlung von Dokumenten, die nach seinem tragischen Selbstmord im Jahr 1889 ins Haus-, Hof- und Staatsarchiv kamen. Es enthält Schriftstücke verschiedenster Genres und Provenienzen, beispielsweise sind Studienhefte des Kronprinzen und Vorträge seines Erziehers Josef Latour zu finden. Weiters ordnete man hier Reiseaufzeichnungen, Fotos, Tagebücher und Manuskripte von Kronprinz Rudolf ein. Neben Zeitungsausschnitten und Material zu seinem Tod in Mayerling ist die Korrespondenz von Kronprinz Rudolf ein weiterer wesentlicher Teil des Bestands, wobei es sich vor allem um kurze Schreiben verschiedener Familienmitglieder handelt. So findet man auch ein dünnes Konvolut, das insgesamt fünf kurze Briefe des noch sehr jungen Erzherzogs Franz Ferdinand an den um fünf Jahre älteren Kronprinzen Rudolf aus den Jahren 1872 bis 1888 enthält. Die beiden Cousins verstanden sich gut und blieben vom Kindesalter bis zum Tod des Kronprinzen 1889 in Kontakt. So gratulierte Rudolf dem etwa achtjährigen Franz Ferdinand zur ersten Wildjagd und ermahnte ihn einige Jahre später das Leben mit Maß und Ziel zu genießen. Er äußerte später sein Bedauern, dass er Franz Ferdinand nur mehr an Wochenenden einladen dürfe, damit dessen Ausbildung nicht verzögert würde. Auch warnte er vor dem Zorn Kaiser Franz Josephs über zu häufig unternommene Jagdausflüge. Franz Ferdinand gratulierte dem Kronprinzen zum Namenstag und erzählte von seiner Ernennung zum Ritter vom Goldenen Vlies. Weiters klagte er, dass er derzeit leider keine Bälle besuchen könne, da man ihm die Vernachlässigung seiner Pflichten nachsage.

In dem vorgestellten Brief vom 31.01.1872 berichtete er Rudolf vom fröhlichen Eislaufen mit seiner Familie beim Schloss Weilburg in Baden.  Dieses war 1820 als Sommersitz für Prinzessin Henriette von Nassau-Weilburg von ihrem Mann Erzherzog Karl von Österreich-Teschen errichtet worden. Während sich Franz Ferdinand im Winter 1872 dort aufhielt, gehörte das Schloss schon dem Sohn des Ehepaars, Erzherzog Albrecht von Österreich-Teschen. Die Weilburg war wegen ihrer Lage im Kurgebiet Helenental und ihrer Größe ein beliebtes Urlaubsziel vieler Mitglieder der Familie Habsburg.

Bei den im Brief genannten Namen Otto, Ferdinand und Margarethe handelt es sich um die Geschwister von Franz Ferdinand, die wie er selbst aus der zweiten Ehe seines Vaters Karl Ludwig mit Maria Annunziata von Bourbon-Sizilien, der Tochter König Ferdinands II. beider Sizilien, stammten. Seine Halbschwestern Maria Annunziata und Elisabeth Amalie waren noch nicht geboren, als er diesen Brief verfasste. Mit seinem jüngeren Bruder Otto rivalisierte Franz Ferdinand um die Zuneigung des Vaters, der geliebten Stiefmutter (Marie Therese von Braganza) und der Erzieher. Der andere jüngere Bruder Franz Ferdinands, Ferdinand Karl, musste 1911 aus dem Haus Habsburg austreten, da er heimlich die nichtadelige Bertha Czuber geheiratet hatte. Margarethe Sophie war Franz Ferdinands jüngere Schwester. Sie wurde durch Heirat mit Herzog Albrecht Kronprinzessin von Württemberg.

Als Franz Ferdinand vom Tod seines Cousins und Freunds Rudolf im Jänner 1889 hörte, reiste er mit dem nächsten Schnellzug nach Wien. Er erfuhr aber erst am nächsten Tag, dass sich der Kronprinz das Leben genommen hatte. Nach den habsburgischen Hausgesetzen wäre der Bruder Kaiser Franz Josephs, Erzherzog Karl Ludwig als neuer Thronfolger nachgerückt, da dieser aber wenig Interesse an Politik zeigte, wurde sein 25-jähriger Sohn Franz Ferdinand allgemein als Thronfolger angesehen. Zu einer amtlichen Bestätigung der Thronfolge kam es aber erst nach dem Tod des Vaters 1898, womit Franz Ferdinand offiziell den Platz seines Kindheitsfreunds einnahm.

Jasmin Oberleitner

Literatur:

  • Brigitte Hamann, Die Habsburger. Ein biographisches Lexikon. Wien-München 2001
  • Alma Hannig, Franz Ferdinand. Die Biografie. Wien 2013
  • Friedrich Weissensteiner, Franz Ferdinand. Der verhinderte Herrscher. Wien 2021
  • Bettina Nezval, Schloss Weilburg in Baden. Symbol einer Liebe. Baden 2015

Signatur: AT-OeStA/HHSTA HausA Selekt Kronprinz Rudolf 19-19 (fol. 116-117)