"Die kleinlichen Verhältnisse lähmen meine ganze Schaffensfreude"
Die Korrespondenz des Künstlers Alfred Offner mit Eduard Taaffe
Archivale des Monats Mai 2024
Im Familienarchiv Taaffe, das im Jahr 2008 aus Irland in das Haus-, Hof- und Staatsarchiv kam, ist eine Korrespondenz zwischen Eduard Taaffe und dem akademischen Maler Alfred Offner überliefert, die ein Streiflicht auf die Lebensrealität eines jüdischen Künstlers in den späten Dreißigerjahren wirft. Der Briefwechsel ist im Rahmen eines ganzen Konvoluts von Schreiben überliefert, die von Personen stammen, welche aufgrund der geänderten wirtschaftlichen und politischen Umstände aus der Tschechoslowakei emigrieren wollten und sich deshalb an Eduard Taaffe um Hilfe wendeten.
Die Korrespondenz gibt in ihrer chronologischen Abfolge einen Einblick in das Stimmungsbild der jüdischen Bevölkerung der Tschechoslowakei vor dem Hintergrund der vom NS-Regime ausgehenden Bedrohung, die auch vor 1938 jenseits der Grenzen des Deutschen Reiches rezipiert wurde. Während aber die Demokratien Mittel- und Osteuropas scheiterten und autoritären bzw. diktatorischen Regimen wichen, blieb das demokratische System in der Tschechoslowakei bestehen. Die jüdische Bevölkerung konnte sich hier also (noch) in Sicherheit wähnen. Manche düsteren Vorahnungen – die auch in der Korrespondenz anklingen – sollten sich jedoch mit der Abtretung der sudetendeutschen Gebiete 1938, der Zerschlagung der Tschechoslowakei und deren Umwandlung in das Protektorat Böhmen und Mähren im Jahr 1939 auf tragische Weise erfüllen.
Eduard Taaffe (1898–1967), Enkel des Ministerpräsidenten Eduard Graf Taaffe (1833–1895), wuchs auf dem böhmischen Landgut seiner Familie, Gut Ellischau (Nalžovské Hory, CZ), auf, wanderte später jedoch in das ursprüngliche Heimatland seiner Familie, Irland, aus. Dort machte er sich als Gemmologe einen Namen, bevor er 1967 als letztes männliches Mitglied seiner Familie kinderlos verstarb.
Alfred Offner, geboren 1879 in Czernowitz, war akademischer Maler, Grafiker und Plakatkünstler. Nach seiner akademischen Ausbildung an den Akademien der bildenden Künste in Wien und München war er als Maler und Grafiker tätig und nahm an Ausstellungen teil. Bekannt ist er auch durch die grafische Gestaltung der Kriegsanleihen aus dem 1. Weltkrieg und seine Mitgliedschaft in der Kunstgruppe des Kriegspressequartiers während dieses Krieges. Aufgrund seiner jüdischen Herkunft musste er nach 1939 Zuflucht vor der nationalsozialistischen Verfolgung suchen und tauchte in der Burg Poběžovice (deutsch: Ronsperg) der Familie Coudenhove-Kalergi unter. Seine Versuche, das Land zu verlassen, scheiterten. Er überlebte Krieg und Verfolgung, starb jedoch 1947 in Poběžovice an Tuberkulose.
Offners Korrespondenz mit Eduard Taaffe, den er noch aus dessen Zeit in Ellischau kannte, der sich zu dieser Zeit aber bereits in Dublin aufhielt, zeugt von seinen Versuchen, private Arbeitsaufträge zu erhalten, um finanziell über die Runden zu kommen. In den Briefen, die die Zeitspanne von Dezember 1937 bis Mai 1938 umfassen, wird die zunehmend verzweifelte Lage des Künstlers aufgrund der politischen Umstände sichtbar. Am 14. April 1938 schreibt er: „Durch diese Ereignisse sind einige Kreise, bei denen ich sogar sehr gute Aufträge zu gewärtigen hatte, vollends vor den Kopf gestoßen worden – und das Interesse für Kunst schwand gänzlich.“ Taaffes Bemühungen, Offner an Bekannte zu vermitteln, trugen aber zumindest teilweise Früchte und so schreibt der Künstler im letzten überlieferten Brief vom 16. Mai 1938 an Taaffe: „Worte selbst des innigsten Dankes hier niederzuschreiben, können diese die Tiefe meines Dankgefühles wiedergeben, das ich euer Hochgeboren gegenüber empfinde?“
Interessant sind die Briefe zusätzlich dadurch, dass Offner sie mit seinen Zeichnungen schmückte. Besonders bemerkenswert ist der hier präsentierte Brief Offners vom 9. Dezember 1937: Der erschöpfte Maler selbst führt ein geflügeltes Pferd, einen Pegasos, das mit Staffelei und anderen Malutensilien bepackt ist, am Zügel von Prag nach Dublin.
Thomas Just
Signatur: AT-OeStA/HHStA SB FA Taaffe 30-7, fol. 11–21
Die Transkription des Schreibens finden Sie hier (PDF, 33 KB)