Barocke Gitarren-Sonaten aus dem Familienarchiv Harrach
Archivale des Monats Oktober 2022
Die Familie Harrach war wie viele Adelsfamilien des Barock der Pflege der Musik verpflichtet, und die bis heute im Familienarchiv erhaltenen Musikhandschriften und Drucke zeigen, dass einzelne Familienmitglieder neben Werken der bildenden Kunst auch Musikalien sammelten. Dazu passt eines der wertvollsten Gemälde der Graf Harrach’schen Familiensammlung, das heute in Schloss Rohrau ausgestellt ist und den Titel „Das Konzert“ trägt. Es wurde um 1530 vom so genannten Meister der weiblichen Halbfiguren gemalt und zeigt drei musizierende Damen, eine mit einer Flöte, eine mit einer Laute und eine mit einem Notenblatt in der Hand. Erworben wurde das Bild 1697 von Ferdinand Bonaventura I. Graf Harrach (1636-1706) in Madrid, wo er zu diesem Zeitpunkt als kaiserlicher Botschafter am spanischen Hof weilte.
Die auf dem Gemälde abgebildete Noten-Handschrift befindet sich nicht im Harrach‘schen Familienarchiv, dafür aber das hier präsentierte Notenwerk: Il primo libro delle sonate di chittara spagnola di Michele Platano, ein Druck mit Sonaten für Barock-Gitarre von Michele Platano, gedruckt 1671 in Mailand.[1]
Über den Komponisten Michele Platano ist kaum etwas bekannt. Am Beginn des Werks finden sich zwei Sonette, in denen in typischer zeitgenössischer Manier Platanos Fähigkeiten als Musiker gerühmt werden und er als exzellenter Spieler von Theorbe, Laute und Gitarre gepriesen wird. Auf der nächsten Seite folgt eine Abbildung von ihm selbst inmitten verschiedener Lauteninstrumente, danach eine kurze Einleitung für die ausführenden Musiker. Es folgen die zehn Sonaten jeweils mit drei oder vier Sätzen und am Schluss zwei Seiten Anleitung zum Generalbass in Form von Grifftabellen. Vor jedem Sonatensatz ist ein Titelblatt mit einem adeligen Widmungsträger abgebildet. Da Mailand zur Zeit des Drucks Teil des Herrschaftsbereichs der spanischen Habsburger war, entstammen alle Adeligen entweder einheimischen oder spanischen Geschlechtern: Es finden sich unter anderem bekannte Namen wie Borromeo oder Visconti.
Wie das Sonatenbuch in den Besitz der Harrachs gelangte, lässt sich leider nicht mehr feststellen. In jüngster Zeit wurde der Lautenist Michael Freimuth bei Recherchen im Archiv darauf aufmerksam und publizierte die Sonaten in der Folge in der Schriftenreihe der Deutschen Lautengesellschaft.
Dank der heutigen Medien ist es nicht mehr wie zur Zeit der Harrachs nötig, die Sonaten selbst spielen zu müssen, um zu wissen wie sie klingen. Die Musik lässt sich an dieser Stelle über den YouTube-Channel der Deutschen Lautengesellschaft abrufen.
Pia Wallnig
Signatur : AT-OeStA/AVA FA Harrach HS 639
[1] Obwohl es sich um ein Druckwerk handelt, ist es heute Teil der Handschriftensammlung des Familienarchivs Harrach.