Dankschreiben Fürst Bismarcks an Kaiser Franz Joseph
Archivale des Monats September 2022
Otto von Bismarck-Schönhausen (1815–1898) war von 1862 bis 1890 preußischer Ministerpräsident und seit 1871 zusätzlich deutscher Reichskanzler. Im Inneren und insbesondere als Leiter der auswärtigen Politik Preußens und des Deutschen Reichs war er jahrzehntelang die bestimmende, alles dominierende Figur. Als Wilhelm II. (1859–1941) im Jahr 1888 als Deutscher Kaiser und König von Preußen den Thron bestieg, schien Bismarcks Position davon nicht berührt. Der junge Kaiser war ein Bewunderer seines Großvaters Wilhelms I., des Reichsgründers von 1871, und somit der unter ihm von Bismarck betriebenen und überaus erfolgreichen Politik hin zur deutschen Einigung. Insbesondere wegen persönlicher Spannungen forderte Kaiser Wilhelm II. Ende März 1890 Bismarck dennoch in schroffer Form zum Rücktritt auf.
Anlässlich der offiziellen Nachricht, dass Bismarck sich von seinen Ämtern zurückziehe, richtete Kaiser Franz Joseph I. ein Handschreiben an diesen, in welchem er sein Bedauern über den Rücktritt zum Ausdruck brachte. Franz Joseph –an Bismarck gerichtet – „werde es immer dankbarst anerkennen, daß Sie die Beziehungen Deutschlands zu Oesterreich-Ungarn im Geiste loyaler Freundschaft aufgefaßt und durch consequentes und treues Zusammenwirken mit den Männern meines Vertrauens das heute unerschütterliche Bundesverhältniß gegründet haben, welches den Interessen beider Reiche, wie meinen Wünschen und jenen Ihres Herrn und Kaisers entspricht.“ Bismarcks Antwort an Kaiser Franz Joseph, eigenhändig verfasst am 26. März 1890 in Berlin, enthält Worte des Dankes und einige Gedanken zu seinem Schritt.
Zunächst pflichtet Bismarck Kaiser Franz Joseph bei, dass dieses Bündnis dauerhaft bestehen werde, weil es den unwandelbaren beiderseitigen Interessen entspricht. Gemeint ist damit der Zweibund-Vertrag zwischen dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn von 1879, mit dem in den Beziehungen die Abkehr von der bisherigen Rivalität hin zur Freundschaft vollzogen wurde. Bismarck schreibt, dass er bei der weiteren Befestigung der Beziehungen mitgewirkt hätte. „Aber es ist nicht der Wille meines allergnädigsten Herrn gewesen“, so dass er es bevorzuge, seinen Posten freiwillig zu räumen.
Im zweiten Teil seines Briefes bekennt sich Bismarck zur „persönlichen Monarchie“. Er erinnert, dass in seiner Regierung, seit dem Jahr 1862, als er Ministerpräsident Wilhelms I. wurde, bis zur Gegenwart immer der Grundsatz galt „qui règne et qui gouverne“ (wer herrscht, der regiert). Bismarck hatte 1862 mit seiner Kampfpolitik verhindert, dass Preußen zur parlamentarischen Monarchie englischen Musters wurde. Er setzte den Vorrang der monarchischen vor der parlamentarischen Gewalt durch. Ohne Rücksicht auf die öffentliche Meinung und deren Sachzwänge konnten Kaiser und Regierung gemeinsam die Politik bestimmen, verpflichtet nur der Staatsräson. Bismarck bekräftigt, dass er zur Befestigung der monarchischen Autorität – so wie bisher – noch weiter gerne gedient hätte. „Seine Majestät hat es mir nicht gestattet, und ich kann dem hohen Herrn nur noch mit meinem Gebet zur Seite stehn.“
Gerhard Gonsa
Signatur: AT-OeStA/HHStA KA KK Geheimakten 2-2-70
Literatur:
- Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen, bearb. von Michael Epkenhans und Eberhard Kolb. Paderborn (u.a.) 2012 (Gesammelte Werke, Neue Friedrichsruher Ausgabe Abt. 4).
- Lothar Gall, Bismarck. Der Weiße Revolutionär. Frankfurt/Main 4. Aufl. 1980.
- Andreas Hillgruber, Bismarcks Außenpolitik. Freiburg 1972 (Rombach-Hochschul-Paperback 46).