Königin Marie-Antoinette bittet Kaiser Leopold II. um militärische Intervention in Frankreich

Archivale des Monats Dezember 2020
Die erste Seite des Briefes von Marie-Antoinette an Kaiser Leopold II.

Erzherzogin Maria Antonia (1755-1793), genannt Marie-Antoinette, jüngste Tochter Kaiserin Maria Theresias, war 1770, im Alter von 14 Jahren, nach Frankreich ver­heiratet worden. Ihre Ehe mit dem französischen Thronfolger Louis – ab 1774 König Ludwig XVI. – diente der Vertiefung des 1756 geschlossenen Bündnisses zwischen Bourbonen und Habsburgern. In Folge des Ausbruchs der Revolution wurde die königliche Familie im Oktober des Jahres 1789 gezwungen, Versailles zu verlassen und im Pariser Stadtschloss, den Tuilerien, in einer Art ehrenvoller Haft zu wohnen. Die tatsächliche Macht im Staat lag in den Händen der 1789 konstituierten Nationalversammlung.

Marie-Antoinette hoffte auf einen Krieg, in dem treu gebliebene königliche Truppen im Verein mit befreundeten ausländischen Mächten das geschwächte revolutionäre Frankreich rasch besiegen und die bourbonische Monarchie retten würden. Die von der Königin schon seit Beginn der Revolution geführten auswärtigen Korrespondenzen mit ihren Hilfsappellen stießen jedoch auf taube Ohren. Im Frühjahr 1791 verstärkte sie ihre Bemühungen. Im dem hier präsentierten, vom 27. Februar 1791 stammenden Schreiben an ihren Bruder Kaiser Leopold II. in Wien warnt sie davor, dem Umsturz angesichts seines raschen Fortschreitens weiterhin nichts entgegen­zusetzen. Es stehe zu befürchten, dass die von der (revolutionären) Propaganda in­fizierten Grundsätze auf ganz Europa übergriffen. Besonders eindringlich – im Brief hervorgehoben durch Unterstreichung – versucht Marie-Antoinette Leopold klarzu­machen, wie wichtig sein Eingreifen als Signal für andere Mächte sei.

Der Kaiser hatte jedoch das Wohl seiner Völker über seine Familieninteressen zu stellen – wie schon sein Bruder Joseph II. vor ihm griff auch Leopold II. nicht in Frankreich ein. Das änderte sich erst unter seinem Sohn und Nachfolger Franz II., dem von französischer Seite im April 1792 der Krieg erklärt wurde. Erste Niederlagen der Revolutionsarmee und der Einmarsch preußischer Truppen hatten allerdings eine starke Radikalisierung der Revolution zur Folge, die schließlich das Ende für König und Königin bedeutete. Im Prozess vor dem Revolutionsgericht, der zu ihrer Enthauptung am 16. Oktober 1793 führte, wurden Marie-Antoinette die in den Tuilerien aufge­fundenen Korrespondenzen mit dem Ausland als Hochverrat ausgelegt.

Eine digitale Form des Briefes sowie eine Übersetzung und eine Transkription finden Sie hier (PDF, 1,86 MB)

Gerhard Gonsa

Signatur:
OeStA/HHStA HA Familienkorrespondenz A 26-2-11-3

Literatur:
- Evelyne Lever, Marie-Antoinette. Paris 1991, S. 545-547.
- Jean Bérenger, Marie Antoinette (Maria Antonia). In: Brigitte Hamann (Hrsg.), Die Habsburger. Ein biographisches Lexikon. Wien 1988, S. 305-308.
- Alfred von Arneth (Hrsg.), Marie Antoinette, Joseph II. und Leopold II. – ihr Briefwechsel. Leipzig-Paris-Wien 1866, S. 146 f.