Die ersten Schüsse von Kriegsschiffen im Ersten Weltkrieg
Archivale des Monats April 2024
Zur Wahrung der Interessen Österreich-Ungarns auf dem für den Handel so wichtigen Donaustrom hatte der Staat bis zum Ersten Weltkrieg eine kleine Donauflottille aufgebaut. Bei dieser unterschied man hinsichtlich der Flusskampfschiffe zwischen Monitoren und Patrouillenbooten. Erstere waren gepanzerte Turmschiffe mit Mittelartillerie zur Bekämpfung feindlicher Truppen, Flussschiffe und Artillerieanlagen; letztere dienten wegen ihrer Schnelligkeit mit leichter Panzerung und Maschinengewehrbestückung vor allem der Aufklärung.
Noch vor der Übergabe des Ultimatums an Serbien erhielt die Donauflottille die Instruktion, dass sie um den 23.7.1914 einen strengen Geheimbefehl über die Indienststellung aller Schiffe erhalten werde, um unauffällig von Budapest abzugehen. Die gesamte Flottille versammelte sich zunächst in Petrovaradin, bevor es nach Zemun weiterging. Als Unterstützung der Landtruppen unterstellte man sie bei Kriegsbeginn dem jeweiligen Heereskommando, welches im Operationsgebiet den Befehl führte. Ihre Aufstellung erfolgte in drei Gruppen:
- Donau-Monitorgruppe in Zemun mit den Monitoren Temes, Bodrog, Szamos und Körös, den Patrouillenbooten „b“, „c“ und „f“, sowie dem Spitalsschiff Kulpa mit den Dampfern Achilles und Banhans.
- Save-Monitorgruppe in Brčko mit den Monitoren Maros und Leitha, dem Patrouillenboot „h“, sowie dem Spitalsschiff Traisen mit dem Dampfer Traun.
- Patrouillenbootgruppe in Pancsova, bestehend aus den Patrouillenbooten „d“ und „g“.
Das Aktionsgebiet der Flusskampfschiffe befand sich entlang der Save vom bosnischen Rača bis Zemun bzw. von dort donauabwärts bis Orșova an der rumänischen Grenze. Praktisch beschränkte es sich jedoch auf die Flussläufe bis Belgrad. Als erstes kam die Donau-Monitorgruppe in den Morgenstunden des 29.7.1914 zum Einsatz. Bei einer zuvor stattgefundenen Besprechung erteilte man ihr den Auftrag, feindliche Arbeiten und Truppentransporte zu stören, woraufhin die Monitore Temes, Bodrog, und Szamos in der Nacht vom 28. auf den 29. Juli von Zemun ausliefen. Noch während ihrer Anfahrt auf die Savebrücke erfolgte die Sprengung des bei Belgrad gelegenen Brückenglieds durch die Serben. Ungefähr eine Stunde später eröffneten die Monitore das Feuer auf den serbischen Brückenkopf bzw. das ca. 500 Meter südöstlich gelegene Gebiet, stellten den Beschuss allerdings kurz darauf wieder ein, weil die Geschossaufschläge infolge der Dunkelheit nicht beobachtet werden konnten.
Nachdem sie von den Belgrader Festungswällen (Kalemegdan) und der Kriegsinsel mit Gewehren beschossen worden waren, erwiderten die Monitore gegen 4 Uhr mit Schrapnellmunition. Sodann bestrichen sie 20 Minuten lang die große Wiese am Topčider, wo Befestigungsarbeiten im Gange waren. Nach einer Distanzverringerung nahmen sie noch die Radiostation unter Feuer und kehrten anschließend zu ihrem Stützpunkt zurück, um gegen 8 Uhr erneut auszulaufen. Ziel der Monitore war es, die Schützenlinien an den Festungswällen mit den dazugehörenden Gebäuden und Magazinen zu beschießen. Noch am Vormittag erfolgte ein erneuter Beschuss der Radiostation, bevor man die Aktion vor den Mittagsstunden komplett einstellte.
Diese Aktionen bedeuteten die erste Schussabgabe von Kriegsschiffen im Ersten Weltkrieg. Als bemerkenswert kann man das Scheitern der Zielsetzungen bei beiden Kriegsparteien konstatieren. Die Monitore konnten die Sprengung der Savebrücke nicht verhindern, wohingegen die Serben insofern scheiterten, als sie die Brücke nur unvollständig zerstörten. Die Einfahrt in die Save blieb der Donauflottille dadurch weiterhin offen.
Harald Fiedler
Signatur:
- AT-OeStA-KA, Marine, NMA, DFK, Kt. 5, Res. Nr. 146, Bericht und Relation samt Beilagen über die Aktion der Donauflottille am 29.7.1914 vom 30.7.1914 (Zemun).
Literatur:
- Georg Pawlik/Heinz Christ/Herbert Winkler, Die k.u.k. Donauflottille 1870–1918, Graz 11989.
- Hubertus Schumacher, Die k.u.k. Donauflottille im Ersten Weltkrieg. Karl Wettstein, Offizier und Schiffsreeder, Wien/Köln/Weimar 2018.
- Lawrence Sondhaus, The Naval Policy of Austria-Hungary, 1867–1918. Navalism, Industrial Development and the Politics of Dualism, West Lafayette 1994.
- Heinz Steinrück, Die österreichische Donauflottille im Weltkriege, in: Heeresinspektor (Hg.), Militärwissenschaftliche und technische Mitteilungen (MWTM), LIII. Jahrgang (1. Heft, Wien 1922), 5–18.
- Olaf Richard Wulff, Die österreichisch-ungarische Donauflottille im Weltkriege 1914–18, Wien-Leipzig 1934.