Die erste österreichische Pferdebahn
Archivale des Monats Juli 2024
Anfang des 19. Jahrhunderts wurden Handel und Industrie noch durch das starre Zunftwesen gehemmt. In der Landwirtschaft dominierte das Frohnwesen und die Freizügigkeit des einzelnen Bürgers wurde durch Passvorschriften auch zwischen den Kronländern eingeschränkt. Die Beförderung größerer Güter war aufgrund schlechter Straßen nur bei günstiger Jahreszeit möglich. Die Wasserstraßen waren im Gegensatz zu anderen Staaten Europas nicht ausreichend ausgebaut und die nicht regulierten, nur in kurzen Strecken schiffbaren Flüsse galten als gefährliche Transportwege. Hinsichtlich der Kanalschifffahrt konnten lediglich der Wiener-Neustädter Kanal und der Franzenskanal in Ungarn als bedeutende Wasserstraßen gelten, was auch mit der gebirgigen Landschaft zusammenhing.
Um den Transport des wertvollen Salzes zwischen Oberösterreich und Böhmen zu erleichtern, musste die alte Salzstraße durch den Böhmerwald zur Moldau ersetzt werden. Zunächst wurde an die Errichtung einer Wasserverbindung gedacht, deren Planung im Jahr 1807 Franz Josef von Gerstner als Direktor und Professor der höheren Mathematik und Mechanik am polytechnischen Institut in Prag übertragen wurde. Sein Abschlussbericht enthielt aber schon den Vorschlag, anstelle der geplanten teuren Wasserverbindung eine zu Lande durch eine Eisenbahn herzustellen. Der Vorschlag wurde zwar angenommen, doch die Napoleonischen Kriege verhinderten die Verwirklichung.
Erst nach dem Wiener Kongress konnte die Staatsverwaltung an die Umsetzung dieses Planes denken und beauftragte im Jahr 1821 Franz Josef von Gerstners Sohn Franz Anton, die Pläne seines Vaters weiter zu entwickeln. Franz Anton von Gerstner bereiste die Länder, durch welche die Trasse führte, und fuhr im Jahr 1822 nach England. Dort, im Mutterland der Eisenbahnen, sollte er sich eingehenden Studien widmen, die zum Bau der ersten österreichischen Eisenbahn führten. Am 7. September 1824 erhielt Gerstner die entsprechende Konzession erteilt. Darin gewährte die Staatsverwaltung dem Unternehmen allerdings mit Rücksicht auf die prekäre finanzielle Lage des Staates keine unmittelbare finanzielle Unterstützung für den Bau. Dieser Mangel sollte durch entsprechende rechtliche Privilegien und günstige Rahmenbedingungen wettgemacht versucht. Es handelte sich um den von wirtschaftsliberalen Grundsätzen getragenen Versuch der Behörden, Privatinitiativen auf einem neuen Gebiet des öffentlichen Verkehrs zu fördern.
Damit wurde eine Phase in der Geschichte der österreichischen Eisenbahnen eingeleitet, die von der Errichtung und dem Betrieb von Privatbahnen geprägt war.
Roman Hans Gröger
Quellen:
- AVAFHKA, Verkehr, Bilder- und Fotosammlung, Bildersammlung Nr. 013
- AVAFHKA, Verkehr, Nachlässe und Varia, Ktn. 82.
- AVAFHKA, Verkehr, Nachlässe und Varia, Ktn. 83.