Joseph Michael Kyselak (1798–1831) – ein früher „Tagger“ aus Wien

Archivale des Monats März 2025
Vor genau 200 Jahren machte sich ein junger Registratursakzessist der Hofkammer auf eine ausgedehnte Reise durch einen Teil der Habsburgermonarchie. Sie sollte drei Monate dauern und ihn ausgehend von Wien durch die Steiermark, Kärnten und das Salzburgische bis nach Tirol und von dort wiederum nach Salzburg und Passau führen, von wo er auf dem Wasserweg seine Heimreise antrat. Über diese Reise hat Joseph Michael Kyselak 1829 einen umfassenden Reisebericht in gedruckter Form vorgelegt. Auch wenn sein Buch mittlerweile schon mehrfach nachgedruckt bzw. ediert wurde, so liegt die Prominenz des Autors nicht darin begründet. Bekannt ist Kyselak nämlich vor allem wegen seines Spleens, seinen Namen an verschiedenen Wänden und Plätzen mit großen schwarzen Lettern anzubringen. Mancherorts hat sich sein Namenszug bis heute erhalten (z. B. an einer Felswand in der Wachau), wobei einige Verewigungen nicht Kyselak selbst, sondern Nachahmern zugeschrieben werden müssen (z. B. an einem Obelisken im Schwarzenbergpark in Wien). Kyselak wird deshalb auch als früher „Tagger“ angesehen, um hier den Graffiti-Jargon zu bemühen.

Doch wer war nun dieser Kyselak? Seine Biographie lässt sich für eine Person des Biedermeiers sehr detailliert nachzeichnen, was wohl auch damit zusammenhängt, dass er im Brotberuf Staatsdiener war. Joseph Michael Kyselak wurde am 9. März 1798 in Wien als Sohn des Joseph Kyselak und der Josepha Seiffert geboren. Der Vater war Beamter des Oberstkämmereramtes im Bereich der Privatvermögensverwaltung der kaiserlichen Familie. Die beiden Söhne der Familie, Joseph Michael und Wilhelm, absolvierten das Piaristengymnasium in der Josefstadt. Anschließend studierte der ältere Sohn für einige Semester Philosophie an der Universität Wien, ohne aber dieses Studium jemals abzuschließen. Im Juni 1818 erlangte er eine Anstellung in der Dienststelle seines Vaters, jedoch nur als Praktikant. Bei der Privatkassa des Kaiserhauses konnte Joseph Michael Kyselak aber offenbar keine Karriere machen. Im Dezember 1823 wurde er – im Zuge von behördlichen Umstrukturierungen im Bereich der kaiserlichen Privatvermögensverwaltung und des Oberstkämmereramtes und wohl auch deshalb, weil sein Vater bei derselben Behörde arbeitete – mittels kaiserlichem Handschreiben in das staatliche Finanzressort, die Hofkammer, versetzt. Dort musste er in verschiedenen Büros seinen Dienst leisten, war aber eigentlich der Registratur zugeteilt. Im Dezember 1825 erlangte Kyselak eine feste Akzessistenstelle bei der Hofkammerregistratur, die mit einem Jahresgehalt von 300 Gulden und einem zusätzlichen Quartiergeld von 100 Gulden honoriert wurde. Im selben Jahr hatte er zuvor seine eingangs erwähnte Reise durch die Monarchie gemacht. Allem Anschein nach hat Kyselak daraufhin durch mehrere Jahre brav seinen Dienst in der Registratur geleistet. Ein im Jahr 1828 dokumentierter längerer Urlaub könnte möglicherweise mit der Vorbereitung der Drucklegung seiner Reise-Eindrücke zusammenhängen, die im Folgejahr erscheinen konnten.

Am 26. März 1829 richtete er schließlich das hier vorliegende Gesuch an den Kaiser um die Verleihung der freigewordenen Stelle eines Offizials im Oberstkämmereramt. Als Motivation gibt Kyselak darin an, dass er bereits von 1818 bis 1823 bei der Privatkassa Dienst geleistet hat. Er unterstreicht, dass er mehrfach als „Kasseoffizier“ bei der Privatkassa vorgeschlagen war, eine solche Stelle aber nie erhalten habe. Auch unterlässt es Kyselak nicht, auf die 41jährige treue Dienstleistung seines Vaters hinzuweisen, die für seine ähnliche Treue als „eifriger Dienstler“ bürgen könne. Mit pathetischen Worten versuchte er in der anschließenden Passage des Gesuchs das Herz des Kaisers zu erweichen, wovon er sich wohl mehr Erfolg für seine Bewerbung versprach. Beim zuständigen Oberstkämmereramt fand Kyselaks Flehen kein Gehör; ihm wurde eine andere Person vorgezogen. Das Gesuch, das mit dem abschlägigen Vermerk vermutlich an ihn hätte zurückgehen sollen, ist letztlich bei der Behörde liegengeblieben und mit deren Beständen an das Haus-, Hof- und Staatsarchiv gelangt. Im Archiv hat das Stück vor knapp 100 Jahren nochmals eine Skartierung überstanden, was zweifellos dem bekannten Namen des Petenten geschuldet war. Joseph Michael Kyselak starb am 17. September 1831 in Wien im Alter von 33 Jahren an der Cholera und in bescheidenen Verhältnissen. Der Name des jungen Beamten ist bis heute unvergessen und zieht aufgrund des Drangs zur Verewigung an prominenten Stellen immer noch Aufmerksamkeit auf sich.
David Fliri
Signatur: AT-OeStA/HHStA HA OKäA F 40: Anstellungsgesuch von Joseph Kyselak
Hier können Sie das Gesuch Kyselaks an den Kaiser herunterladen (PDF, 15 MB)
Hier können Sie die Transkription des Gesuchs herunterladen (PDF, 290 KB)
Literatur (Auswahl):
- Gabriele Goffriller (Hg.), Kyselak. Skizzen einer Fußreise durch Österreich (Salzburg/Wien 2009).
- Michael Lorenz, Concerning Kyselak (Blogbeitrag von 2015 mit späteren Aktualisierungen). Online unter: https://michaelorenz.blogspot.com/2015/07/concerning-kyselak.html (letzter Zugriff: 12.02.2025)
- Raffaela Bianca Ebersteiner, Joseph Kyselak – Zu Fuß durch Österreich. Die literarische Reise eines Biedermeiers (ungedruckte geisteswissenschaftliche Diplomarbeit, Wien 2018).
Veranstaltungen zum Thema Kyselak organisiert "Wurzeln - Verein für Erforschung, Erschließung, Bewahrung und Vermittlung von Literatur, Kunst und Familiengeschichte": www.kyselak.at