Josef Lang – der letzte Wiener Scharfrichter in der Monarchie

Archivale des Monats November 2021

Die Ernennung zum Scharfrichter.

Mit Allerhöchster Entschließung vom 8. April 1851 wurden die österreichischen Scharfrichterstellen auf nur mehr drei begrenzt – jeweils eine für die Oberlandesgerichtsbezirke Wien, Prag und Brünn. Jene in Krakau, Lemberg, Küstenland, Graz und Innsbruck sollten demnach nicht mehr nachbesetzt werden und wurden nach Ableben der dort tätigen Scharfrichter nach und nach aufgelassen. Damit hatten die drei verbleibenden Henker im Falle einer Hinrichtung gegen Vergütung der Reisekosten in die jeweiligen Gerichtsorte oder auch in Sprengel anderer Oberlandesgerichte zu reisen, um ihren Dienst dort zu verrichten. Scharfrichter gehörten zur Dienerschaft, waren keine Staatsbeamten und durften daher keine entsprechenden Uniformen tragen, keiner Nebenbeschäftigung nachgehen und erhielten ein jährliches Gehalt, ein Quartier oder eine Quartiersentschädigung und einen Betrag zur Abgeltung der Gehilfen. Für die Scharfrichterstelle in Wien wurde 1851 festgesetzt, dass diese jährlich vierhundert Gulden plus eine Quartiersentschädigung von einhundert Gulden und zusätzlich zweihundert Gulden zur Zahlung von zwei Gehilfen erhalten sollte. Jene in Prag erhielt das gleiche mit einem Quartiergeld von achtzig Gulden jährlich und jene in Brünn ebenso 80 Gulden, aber nur hundert Gulden für einen Gehilfen. Außerdem war der Scharfrichter des Oberlandesgerichtes ab 1858 auch zum Vollzug der Todesstrafe bei Militärpersonen verpflichtet.

Die Henker stammten meist aus einigen wenigen Familien, wobei als Gehilfen bei den Hinrichtungen oft Verwandte oder Bekannte dienten, die nach dem Tod der Scharfrichter deren Nachfolge antraten. So gab es ab 1851 folgende Scharfrichter im Bereich des Oberlandesgerichtes Wien: Johann Georg Hoffmann (1852-1865), Heinrich Willenbacher (1865-1886), Rudolf Seyfried (1886-1892), dessen Bruder Joseph Seyfried (1892-1895), und Karl Sellinger (1895-1899).

Erteilung der Altersnachsicht.

Als Karl Sellinger im Herbst 1899 starb, gab es unter den Bewerbern zunächst keinen, den man als Nachfolger auswählen wollte. Einer der Kandidaten war ein Gehilfe des Prager Henkers Leopold Wohlschläger. Die Anfang Jänner 1900 an der Kindesmörderin Juliane Hummel erfolgte Hinrichtung durch den aus Prag angereisten Wohlschläger dauerte aufgrund seiner in Wien nicht üblichen Methode viel zu lang. Daher nahm man Abstand davon, den Gehilfen als Wiener Scharfrichter zu ernennen, und suchte jemanden, der mit der Technik des Würgegalgens Erfahrung hatte. Ein Gehilfe des verstorbenen Scharfrichters Karl Sellinger war Josef Lang, Kaffeehausbesitzer in Simmering, aber mit seinen 45 Jahren bereits zu alt für den Eintritt in den Staatsdienst. Nachdem es zuerst schwierig war den richtigen Josef Lang in Wien zu finden, und man sich seines Interesses für den Posten versichert hatte, wurde, „nachdem Lang der einzige Bewerber ist, von dem angenommen werden kann, dass er die Erfahrung besitze, Hinrichtungen in gleicher Weise wie der frühere Scharfrichter zu vollziehen, die Ertheilung der Nachsicht des überschrittenen Normalalters behufs Erlangung der erwähnten Stelle an Josef Lang“ bewilligt.

Die Pensionierung.

Außerdem wurde bestimmt, dass „bei den Hinrichtungen ständige Gehilfen beizuziehen und die Namen derselben sofort nach deren Wahl dem Oberlandesgerichts-Präsidium bekannt zu geben“ seien. Damit sollte eine mögliche Nachbesetzung wohl erleichtert werden. Lang wurde, nachdem die Todesstrafe 1919 im ordentlichen Verfahren abgeschafft wurde, im Jahr 1921 pensioniert, musste sich aber verpflichten, im Falle der Verhängung des Standrechtes zum Vollzug von Todesstrafen bereit zu stehen. Er verstarb am 21. Februar 1925 und wurde unter großer Anteilnahme in Simmering beigesetzt. Mit der abermaligen Einführung der Todesstrafe im standrechtlichen Verfahren im November 1933 wurde Johann Lang, Neffe und Gehilfe Josef Langs, als Scharfrichter eingesetzt und verblieb bis 1938 in diesem Amt. Er starb im Juni 1938 im KZ Dachau.

Nicole Placz-Schuller

Signatur:
ÖStA AVA Justiz JM Allgemein Signatur III OLG Wien Personale Vz. 20 (Kt. 2881)
ÖStA AVA Justiz JM Allgemein Signatur II genus 33 Scharfrichter (Kt. 2052)

Literatur:
Harald Seyrl (Hg.), Die Erinnerungen des österreichischen Scharfrichters. Wien, Scharnstein 1996.