Allgemein 100 Jahre Adelsaufhebungsgesetz
Archivale des Monats April 2019
Bereits 1848 war ein Großteil der Privilegien des Adels abgeschafft worden, seine Vorrechte beschränkten sich seitdem im Wesentlichen auf die Führung adeliger Titel und Wappen. Dennoch galt es in Österreich weiterhin als „Krone“ der gesellschaftlichen Anerkennung, für besondere Leistungen geadelt zu werden. Überdurchschnittlich viele Standeserhebungen erfolgten in den letzten Jahren der Monarchie und kamen vor allem Militärpersonen aufgrund von Kriegsverdiensten zu Gute. Die „Adelsangelegenheiten“, insbesondere die Ausfertigung der Nobilitierungsdiplome, fielen in den Wirkungskreis des Adelsdepartements im k.k. Ministerium des Innern.
Nur wenige Tage nach Ausrufung der Republik Deutschösterreich erkannte man hier die Notwendigkeit, unmittelbare Konsequenzen der neuen Staatsform auf den Adelsstand und folglich auf den eigenen Zuständigkeitsbereich zu analysieren: Laut einem „Promemoria“ des Adelsdepartements wären mit 12. November 1918 „zwar alle politischen Vorrechte, nicht aber auch die sozialen Ehrenvorzüge, wie die Adels- und Wappenberechtigung“ aufgehoben worden.
In der Folge erarbeiteten mehrere Seiten Entwürfe zur Abschaffung jener Privilegien, die einer demokratisch-republikanischen Staatsform nicht mehr angemessen waren. Im Winter 1918/1919 eingebrachte Anträge der provisorischen Nationalversammlung und des Staatsrates zeigten allerdings unterschiedliche Auffassungen vor allem in Fragen der Wappenführung, im Umgang mit dem Vermögen adeliger Orden und dem Strafmaß bei Zuwiderhandlungen. Eine spezielle Herausforderung stellte die Umformung verschiedener Adelsprädikate in bürgerliche Familiennamen dar.
Letztlich wurden drei Gesetzesentwürfe im Verfassungsausschuss der konstituierenden Nationalversammlung beraten. Das „Gesetz über die Aufhebung des Adels, der weltlichen Ritter- und Damenorden und gewisser Titel und Würden“ (Staatsgesetzblatt Nr. 211/1919) trat eine Woche nach seinem Beschluss, am 10. April 1919, in Kraft. Es steht gemäß Artikel 149 B-VG im Verfassungsrang.
Dem Adelsaufhebungsgesetz folgten bald Unsicherheiten in seiner Auslegung. Das zeigt sich anhand einer Reihe von Anfragen an das ehemalige Adelsdepartement, welches nach 1918 als „Alte Gratialregistratur“ dem Bundeskanzleramt zugeordnet war. Eingaben vormals adeliger Personen um Auskünfte zur Namensführung, Erörterungen zur Adelsberechtigung deutschösterreichischer Staatsbürger bei Verehelichung, bei einem Wechsel der Staatsbürgerschaft, oder zur Führung von Adelstiteln im Ausland beschäftigten die Beamten noch über Jahrzehnte und führen fallweise bis heute zu Unklarheiten. Der 1919 festgelegte und seither nie angepasste Strafrahmen von 20.000 Kronen bei Übertretungen entspricht aktuell einem Wert von wenigen Eurocent.
Isabella Riedel
Literatur
Binder-Krieglstein, Reinhard. Österreichisches Adelsrecht 1868-1918/19. Wien (Diss.) 1997.
Waldstein-Wartenberg, Bertold. Das Adelsaufhebungsgesetz von 1919, in: MÖSTA 1972, S. 306-314.