„…ich seche das du dich in kein guten zustande befündest…“
Die Verlassenschaftsabhandlungen der Regimentsgerichtsbarkeit im 19. Jahrhundert – Sterben und Erben im Militär

Archivale des Monats 2025
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Archivale des Monats April 2025

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Die Archive der Truppenkörper [AT-OeStA/KA AdTk] stellen in ihrer vorliegenden Form eine Art Sammelsurium an Schriftgut verschiedenster Genera dar, sind diese doch im Ende nur mehr Fragmente der jeweiligen Regimentsregistratur. Denn den Regimentern oblag neben der allgemeinen Administration auch die erstinstanzliche Gerichtsbarkeit, bis diese den Generalkommanden übertragen wurde. Dass daher das einstige Registraturgut und der Verlust der Überlieferung für die Wissenschaft immens war, mag unbestritten sein. Für das Dragonerregiment Nr. 3 (weiland Kürassierregiment Nr. 3 „Albert, König v. Sachsen“)[1] erhielten sich glücklicherweise noch einige sogenannte Verlassenschaftsabhandlungen. Als eigentlich rechtshistorische Dokumente über die Verlassenschaften der in den Stationen oder Spitälern mit und ohne Testamenten verstorbenen Soldaten und Offizieren gewähren diese tiefe Einblicke in verschiedenste Bereiche des Lebens. Die Rechts-, Sozial-, Wirtschafts-, Geistes- und Kulturgeschichte, die Genealogie und Prosopographie, die Volks- und Realienkunde finden hierin gleichermaßen eine großartige Quelle, mithin Antworten.[2]

Das vorliegende Archivale ist jene Verlassenschaftsabhandlung über den Gemeinen Josef Steingassinger von der vierten Eskadron des nämlichen Kürassierregiments. Dieser verstarb am 8. August 1855 im Regimentsspitale in Mór/Ungarn, vermutlich an der grassierenden Cholera.[3] Der als ein Mantelbogen dienende „Abhandlungs-Ausweis“ schildert in konziser Form den Vorgang der Verlassenschaftsabhandlung und weist auch die Aktiva sowie Passiva, die gegebenfalls (bedingt) antretenden Erben und natürlich das tatsächliche Erbe aus: 23 Gulden und 18 Kreuzer Conventions-Münze. Das Erbe wurde unter Anwendung des § 735 ABGB i.d.F.v. 1811[4] jeweils zur Hälfte dem verwitweten Vater und unter den sechs lebenden Geschwistern aufgeteilt.

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Die Transkription zum Brief des Vaters finden Sie unterhalb

Josef Steingassinger stammte aus Hallein in Salzburg, wo er 1832 geboren wurde. Sein Militär-Grundbuchblatt weist ihn als ledigen Mann ohne Profession aus, der am 21. März 1853 beim Infanterieregiment Nr. 59 „Erzherzog Rainer“ auf acht Linien- und weitere zwei Reservejahre als Gemeiner assentiert wurde.[5] Seine Dienstzeit brachte nichts Interessantes hervor, zwei Jahre später verstarb er schon. In der Abhandlung erhielt sich auch ein Brief des Vaters samt zeitgenössichen Kuvert mit fünf Poststempel aus Hallein am Revers. Datiert ist dieser vorliegende Brief des Vaters, Sebastian Steingassinger, mit 8. August 1855 und erreichte den Sohn erst nach dessen Tod. Beigeschlossen waren laut Kuvert 7 Gulden (der älteren) Wiener Währung. Hierin eröffnet sich eine zutiefst persönliche (und traurige) Dimension menschlicher Schicksale, die ansonsten in der Arbeit am Verwaltungsschriftgut, insbesondere in jenem des Militärs, zu kurz kommt.

Gregor Gabriel
Signatur: AT-OeStA/KA AdTk Kav DragR3 791 Steingassinger, Joseph

Transkription des Briefes

[AT-OeStA/KA AdTk Kav DragR3 791 Steingassinger, Joseph fol. 2v]

Dürrnberg am 8ten August 1855 /

Liebster Sohn! /

Dein schreiben hat uns in bester gesundheit / getrofen, aber Lieber Joseph ich seche das du dich in / kein guten zustande befündest dacher ich dir / sogleich 5 fl. Mz. schüke und deine geschwisterte und der / Fritz mitsam(m)en auch 2 f. und hoffen es wierd / filleicht mein schreiben dich widerum in besere gesundheit / antrefen. Lieber Sohn Joseph wen du schon jetzt in einer / unglichen Lage bist vergesse auf Gott niht er wird dich / nicht verlaßen, und Lieber Josef ich verllaße dich auch / niht, neues kann ich dir nichts schreiben als das der / Jochann nicht zu hause ist, in seinen Lezten Prief von 2ten July / ist er Hrubschitz in Böhmen Lieber Josef ich wünsche / und dein geschwisterte und verwandte das du bald widerum / deine gesundheit widerum erlangest was besonders für einen / Soldaten das beste ist, Lieber Sohn Josef ich und deine / geschwisterte grüessen dich von Herzen und hoffen bald einen freuderige / nachriht von dir das du widerum gesund seiest, ich grüesse / und deine geschwüsterte und verwandte dich noch eimal von Herzen /

Dein Vatter Sebastian Stangaßinger /

auch ein recht Herzlicher Gruß / von Keil und Staßer Leuthen

[1] Alphons Freih. v. Wrede, Geschichte der K. und K. Wehrmacht. Die Regimenter, Corps, Branchen und Anstalten von 1618 bis Ende des XIX. Jahrhunderts. Bd. 3/1 (Mittheilungen des k. und k. Kriegs-Archivs, Suppl., Wien 1901) p. 139. (online)

[2] Michael Hochedlinger, Archivarischer Vandalismus? Zur Überlieferungsgeschichte frühneuzeitlicher Testamente und Verlassenschaftsabhandlungen in Österreich (Archivalische Zeitschrift 84, Köln/Weimar/Wien 2001), pp. 289-364.

[3] Geschichte des k. u. k. Dragoner-Regimentes Friedrich August, König von Sachsen Nr. 3, Bd. 2 (Wien s. d.) p. 77.

[4] cf. in der damals gültigen Fassung (JGS Nr. 946/1811) ÖNB-Alex bzw. zum Vergleich in der heutigen Fassung (BGBl. I Nr. 87/2015) RIS.

[5] AT-OeSta/KA Pers GB OuM Reg Kür 3 804 H. 3 S. 44. (online)