Theodor Edler von Lerch: Japans erster Skilehrer
Archivale des Monats Februar 2025
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„Bevor ich die Einführung des Skilaufes behandle, möchte ich hervorheben, dass meine Kommandierung zur kaiserlich japanischen Armee aus rein militärischen Gründen erfolgte und mit dem Wintersport in gar keinem Zusammenhang stand. Ich bin daher nicht als Lehrer des militärischen Skiunterrichts nach Japan gekommen. Als passionierter Skifahrer hatte ich allerdings zwei paar Skier mitgenommen in der Absicht unter Umständen Touren zu machen – war mir doch der japanische Winter und ein für den Ski geeignetes Gelände gänzlich unbekannt.“
Zwar mag der Offizier Theodor Edler von Lerch nicht, wie er hier in seinen Erinnerungen betonte, als Lehrer des Skilaufs nach Japan gereist sein, doch ist es gerade dieser Aspekt seines Lebens und seiner Karriere, für den Lerch dort bis zum heutigen Tag in Erinnerung geblieben ist.
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Die militärische Karriere Theodors, am 31. August 1869 in Preßburg geboren, mag bis zu einem gewissen Grad vorgezeichnet gewesen sein, denn schon der Vater Ludwig Edler von Lerch war österreichischer Oberst und hatte die Feldzüge von 1848, 1849, 1864 und 1866 mitgemacht. Die Mutter entstammte einer norddeutschen Patrizierfamilie des Hansabundes in Wismar.
Theodor maturierte in Prag und absolvierte die Theresianische Militärakademie in Wiener Neustadt. Ab 1891 war er zunächst als Leutnant dem Infanterie-Regiment 102 zugeteilt, besuchte von 1894 bis 1896 die Kriegsschule und verbrachte die folgenden Jahre als Oberleutnant bei der 59. Infanterie-Brigade in Czernowitz und bei der General-Stabsabteilung der 11. Infanterie-Truppendivision in Lemberg, weiters bis 1902 als Hauptmann beim 14. Korpskommando in Innsbruck; in diesem Jahr gelangte er ins Operationsbureau des Generalstabes in Wien.
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In jener Zeit entwickelte sich auch Lerchs Interesse am Skifahren, das er ab 1904 durch Einzelunterricht bei Skipionier Mathias Zdarsky in Lilienfeld erlernte.
1908 Major, erweckte der japanische Pavillon auf der Dresdener Weltausstellung sein Interesse am Fernen Osten und es gelang ihm, für die Zeit von Jänner 1910 bis September 1912 seine Versetzung nach Japan zu bewirken, wo er als Major und Oberstleutnant des Generalstabes die Entwicklung der japanischen Armee nach dem russisch-japanischen Krieg studierte.
Diese Mission führte ihn 1911 zum Infanterieregiment 58 in Takata an der japanischen Nordwestküste am Fuße des Hida-Massivs und 1912 zum (kaiserlich japanischen) 7. Artillerieregiment in Asahigawa in der nördlichsten Garnison Japans auf der Insel Hokkaido.
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Lerch in eigenen Worten: „An das japanische Kriegsministerium stellte ich bei meiner Vorstellung das Ansuchen, tunlichst einem Regiment in schneereicher Gegend zugeteilt zu werden. Meinem Wunsche wurde bereitwilligst Folge gegeben und mir als Garnison Takata im japanischen Wintereldorado angewiesen. Bis zu meiner Zeit war noch kein europäischer Offizier an die winterliche Nordwestküste kommandiert worden – alle wählten die Ostküste Japans mit den größeren Städten und lebhaftem Fremdenverkehr zum Aufenthalt. Ich kam also sozusagen als ‚weißer Rabe‘ in eine vom Weltverkehr abgelegene Provinz und war in vielen kleineren Orten und Dörfern überhaupt der erste Europäer, welchen Japaner und Japanerinnen zu Gesicht bekamen.“
Während seines japanischen Aufenthaltes fungierte Lerch auch als Instruktor japanischer Truppen, die er im bis dahin nicht geläufigen Skifahren unterwies: „Oberst Hornichi, der Kommandant des 58. Infanterieregiments, welchem ich zugeteilt war, bekundete gleich anfangs, als ich ihm vom Skilauf in Europa erzählte, lebhaftes Interesse für diesen Sport.“
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Lerch wendete dabei die Methode Zdarsky an (Lilienfelder Stahlsohlenbindung, Einstockmethode). Überdies bestieg Lerch als erster Mensch mit Skiern den 3776 m hohen Fudschijama.
Nach Beendigung seiner Aufträge in Japan bereiste Lerch Korea und China, nahm an den britischen Manövern in Indien teil und kehrte sodann im Jänner 1913 nach Wien zurück. Er wurde Bataillons-Kommandant des 4. Tiroler Kaiserjäger-Regiments, im Juli 1914 Detachementskommandant in Skutari, am 1. August 1914 Oberst General-Stabschef des 17. Korps, als welcher er bei den Kämpfen in Galizien und an der Isonzofront teilnahm. Von August 1917 bis September 1918 kommandierte er die 20. Gebirgsbrigade bzw. die 93. Infanteriebrigade in Albanien, ehe er das Kriegsende beim Führerkurs des Deutschen Heeres in Sedan, schließlich bei den Kämpfen in Flandern, verbrachte.
1919 trat Lerch als Generalmajor in den Ruhestand. Der Pensionist arbeitete noch in der Privatwirtschaft, fungierte als Redner und Autor und unternahm ausgedehnte Reisen und alpine Erstbesteigungen auf Skiern. Er verstarb am 24. Dezember 1945 in Wien.
In Japan wurde der Pionier, Lehrer und Offizier mehrfach geehrt. Unter anderem wurde ihm schon 1921 ein Obelisk auf der Höhe Takata errichtet, vier Jahrzehnte später, am gleichen Ort, ein drei Meter hohes Standbild, das Lerch in österreichischer Offiziersuniform darstellt. Ebenso ist Lerch ein eigenes Museum gewidmet.
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Die Photographie von Major Theodor Edler von Lerch lässt sich auf die Zeit zwischen Oktober 1910 und November 1911 datieren – also auf seine „japanische“ Zeit. Von der Brustmitte aus betrachtet, hierarchisch absteigend, trägt der Major folgende Dekorationen: Orden der Krone von Rumänien, Kommandeurskreuz (königlich-rumänische Halsdekoration); Militär-Verdienstkreuz (Friedensdekoration); Jubiläums-Erinnerungs-Medaille 1898 für die Bewaffnete Macht und die Gendarmerie;
Militär-Jubiläumskreuz; Albrechts-Orden, Ritterkreuz I. Klasse mit der Krone (königlich-sächsisch); Roter Adlerorden III. Klasse (königlich-preußisch); Orden Danilos I. für die Unabhängigkeit IV. Klasse (fürstlich-montenegrinisch).
Gregor Gabriel / Robert Rill
Signaturen:
- AT-OeStA/KA BS Portraits L III 11
- AT-OeStA/KA NL C/751:9 Fotosammlung von Theodor von Uriel
- AT-OeStA/KA NL B/33:2 Manuskript: Erinnerungen eines österreichisch-ungarischen Generals (Japan, Korea und die Mandschurei 1911 bis 1912) von Generalmajor der Ruhe Theodor Lerch
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Die Einführung des Skilaufes in Japan
Bevor ich die Einführung des Skilaufes behandle, möchte ich hervorheben, dass meine
Kommandierung zur kaiserlich japanischen Armee aus rein militärischen Gründen erfolgte
und mit dem Wintersport in gar keinem Zusammenhang stand. Ich bin daher nicht als Lehrer
des militärischen Skiunterrichts nach Japan gekommen.
Als passionierter Skifahrer hatte ich allerdings zwei paar Skier mitgenommen in der Absicht
unter Umständen Touren zu machen – war mir doch der japanische Winter und ein für den
Ski geeignetes Gelände gänzlich unbekannt.
An das japanische Kriegsministerium stellte ich bei meiner Vorstellung das Ansuchen,
tunlichst einem Regiment in schneereicher Gegend zugeteilt zu werden. Meinem Wunsche
wurde bereitwilligst Folge gegeben und mir als Garnison Takata im japanischen
Wintereldorado angewiesen.
Bis zu meiner Zeit war noch kein europäischer Offizier an die winterliche Nordwestküste
kommandiert worden – alle wählten die Ostküste Japans mit den größeren Städten und
lebhaftem Fremdenverkehr zum Aufenthalt.
Ich kam also sozusagen als „weißer Rabe“ in eine vom Weltverkehr abgelegene Provinz und
war in vielen kleineren Orten und Dörfern überhaupt der erste Europäer, welchen Japaner
und Japanerinnen zu Gesicht bekamen.
Oberst Hornichi, der Kommandant des 58. Infanterieregiments, welchem ich zugeteilt war,
bekundete gleich anfangs, als ich ihm vom Skilauf in Europa erzählte, lebhaftes Interesse für
diesen Sport.